top of page

Das Auto und wir - ist das Liebe?

Eine werbepsychologische Analyse unserer schwierigen Beziehung zum Automobil von David Everard und Dr. Robert A.P. Reuter - in gekürzter Form im FORUM des Monats Dezember 2020 publiziert.


Wer sich in Luxemburg-Stadt auf ein Mäuerchen an einer belebten Fahrbahn setzt, der hat die Möglichkeit eine Version der Floskel “Das Geld liegt auf der Straße” zu bewundern: Automobile im Einzelwert eines Einfamilienhäuschens vermischen sich hier mit unzähligen anderen, deren Wert das Jahreseinkommen der Mehrzahl unserer Mitbewohner bei Weitem übersteigt. Wer sich die Zeit dazu nimmt, kann diese Parade bewundern und sich fragen: Haben Menschen in Luxemburg eine besonders große Liebe zum Auto? Sieht er dann einen Mitbürger im Verkehr mitradeln, drängt sich unweigerlich die Zusatzfrage auf: Eine besonders große Liebe obwohl Probleme wie Stau, Luftverschmutzung, Lärm, Treibhausgase, Versiegelung des öffentlichen Raumes oder auch tödliche Unfälle bei der Kaufentscheidung mitschwingen müss(t)en?



Kardinalfehler Liebe

Stellen wir jedoch die Frage “woher die Liebe zum Automobil kommt”, so begehen wir einen Kardinalfehler, dem nur Wenige entgehen. Um zu verstehen, müssen wir zu den Anfangstagen des individualisierten, motorisierten Verkehrs zurückgehen.

Als das Automobil, und hier schließen wir der Einfachheit halber Lieferwagen und Lastwagen mit ein, begann in den Straßen der Städte aufzutauchen, führte dies zu einer Destabilisierung des sozialen Konstrukts “Straße”. Davor wurde die Straße gemeinsam genutzt - Fußgänger, Flâneure, Reiter, Kutschen, Straßenbahnen, spielende Kinder - der öffentliche Raum erfüllte seinen sozialen Zweck, war Verkehrsader und Treffpunkt. Als die ersten Automobile in dieses Universum eindrangen, ging dies mit sehr vielen Verkehrstoten einher. Zwischen 1900 und 1920 entstanden so sehr große Spannungen, da das bestehende System keinen Platz für dieses neue Verkehrsmittel bereit hielt. Die Automobilindustrie stand vor der großen Herausforderung Städter davon zu überzeugen, ein Automobil zu erwerben und zu nutzen. Städter jedoch, sowie auch die Polizei, die Justiz und die Medien sahen in den neuen Fahrzeugen eine große Gefahr und einen Störfaktor der öffentlichen Ordnung, einen Zerstörer des Gemeinwohls. 1923 starben in den Vereinigten Staaten beinahe 16.000 Menschen durch Autounfälle, und dieser Blutzoll schien den Siegeszug des Automobils zu stoppen. (“Public Accidents: America Leading The World in Accidental Deaths”, Journal of American Insurance 1 - November 1924)

Überall formten trauernde Mütter lokale Sicherheitsräte, große Paraden wurden für von Fahrzeugen getötete Kinder organisiert, Stelen errichtet, verunfallte Autofahrer von wütenden Menschen angegangen. Die Wut der Menschen auf das Automobil war allgegenwärtig. Fast alle waren sich einig, dass dieses rurale Verkehrsmittel in einer Stadt nichts zu suchen hatte. Das ist nun genau 100 Jahre her. Wie konnte es dann dazu kommen, dass wir heute denken, eine Liebe würde uns mit einem zwei Tonnen schweren Ungetüme aus Stahl verbinden?



Neuinterpretation der Wirklichkeit

Als die Automobilindustrie bemerkte, dass der Widerstand zu groß wurde, mussten Sie einige Anpassungen vornehmen. Der Kampf auf der Straße selber war durch Pferdestärken gewonnen worden. Automobile waren groß, schwer und schnell und drängten andere Verkehrsteilnehmer an den Rand. Straßenbahnen, bei Städtern sehr beliebt, wurden als Verkehrshindernisse angesehen und so dargestellt. In den Vereinigten Staaten waren Straßenbahnen private Unternehmen. Diese wurden nach und nach von der finanzstarken Automobilindustrie aufgekauft und aufgelöst.

Bis in die Mitte der 1920er Jahre war das Auto der Eindringling, der Kinder und ältere Menschen tötete. Und die Gesellschaft gab den Autofahrern und ihren Gefährten einseitig die Schuld. Immerhin drangen diese in den öffentlichen Raum ein und, wie es damals viele Leitartikel formulierten, mordeten. Aber diese soziale Konstrukt wandelte sich, so dass um 1930 eine Mehrheit der Meinung war, dass viele Straßen hauptsächlich für den Autoverkehr gedacht waren. Wie kam es dazu?


Manhattan's Hester Street, on the Lower East Side, in 1914. (Maurice Branger/Roger Viollet/Getty Images)

Soziale Konstruktivisten nennen eine solche Verringerung interpretativer Flexibilität einen “Abschluss” auf den eine “Stabilisation” folgt nach der eine neue Interpretation überwiegt. Der Widerstand bleibt weiterhin bestehen, aber er tut dies nur noch im Rahmen dieser nun vorherrschenden Interpretation der Wirklichkeit. Um dies zu erreichen, musste die Autoindustrie einige Felder bearbeiten. Zuallererst musste sie das Image Ihres Produktes ändern. Bis in die 1920er Jahre hinein wurde das Automobil als “Spaßmobil” vermarktet. Angesichts der jährlich vielen tausenden Toten war dieses Bild ein Hindernis für eine Erweiterung des Marktes. (Der Wechsel des Begriffes erfolgte Schrittweise in den 1920ern. 1922 bemerkte ein Washingtoner Autoverkäufer, dass der Begriff “pleasure car” den Fortschritt der Industrie behinderte. Er plädierte dafür, das Auto als eine Notwendigkeit, und nicht weiter als einen Luxus darzustellen. R.H. Harper, zitiert in “Auto Overcomes Expensive Toy Idea,” Washington Post, Dec. 3, 1922.)


November 23, 1924, cover New York Times

Wieso sollten Eltern ihre Kinder verlieren, damit ein anderer Mitbürger Spaß haben konnte? Auch wurde von Stadtplanern die Effizienz dieses Verkehrsmittel angezweifelt: Die Straße ist ein öffentliches Gut und soll zum Wohle Aller geplant werden. Automobile aber sind individuelle Privatgegenstände die es in einer kleinen Anzahl fertig bringen den gesamten Verkehr zum Erliegen zu bringen und öffentlichen Raum durch ihr Abstellen am Straßenrand zu füllen. Um dieses Dilemma zu umgehen, beschichtete die Automobilindustrie ihr Produkt mit der selben Teflon-Beschichtung die der liberale Markt für alle Produkte die dem Gemeinwohl und der Umwelt schaden bereithält: Freiheit! Das Besitzen und Fahren eines Automobils ist eine persönliche, politische und marktpolitische Freiheit. Durch diesen Wechsel von Luxus/Spaß zu Freiheit konnten alle schwierigen Fragen zu Gerechtigkeit, öffentlicher Ordnung und Effizienz umgangen werden. Dies war ein sehr wichtiger Schritt zum Abschluss mit der zuvor vorherrschenden Wirklichkeitsinterpretation (Peter D. Norton - Fighting Traffic - The Dawn of the Motor Age in the American City).



Eine Teilschuld den Opfern

Das bis in die 1920er vorherrschende Bild war das von den vielen Unschuldigen die Ihr Leben aufgrund der Raserei einzelner ließen. Diese Verantwortung musste die Autoindustrie auf mehr Schultern als nur auf denen der Autofahrer verteilen. Fußgänger mussten eine Mitschuld an den Unfällen tragen. Zu diesem Zweck erfand die Autoindustrie den Begriff “Jaywalker”, den unachtsamen Fußgänger, und machte so über Nacht aus respektablen Bürgern die zu Fuß unterwegs waren Regelbrecher. Große, nationale Kampagnen wurden gestartet, um Fußgängern beizubringen, nicht in die Fahrbahn zu schreiten.


Regierungsplakate verhöhnten "unachtsame Fußgänger" in den 20er und 30er Jahren

Der öffentliche Raum wurde so durch schiere Gewalt, also den PS-starken Fahrzeugen, und haltlose Bevormundung zerschnitten. Eltern, deren Kinder weiter auf der Straße spielten, wurde Schuld zugewiesen. Schulungsmaßnahmen für die Jüngsten wurden erfunden um Kindern beizubringen von der Straße zu bleiben. Die von besorgten Eltern gegründeten lokalen Sicherheitsräte wurden unterwandert und zu regionalen und nationalen Räten und Automobilclubs umgebaut und ausgebaut. Die Automobilindustrie konnte sich so nach und nach selber regulieren. Diese wachsende nationale Organisation, die durch erhöhte Verkäufe steigende finanzielle Macht der Unternehmen und die damit einhergehende Anpassung des politischen Klimas vereinfachte den Paradigmenwechsel.

Jedweder Widerstand wurde fortan als ewiggestrig dargestellt, als altmodisch, als dem Fortschritt und der individuellen Freiheit feindlich. Verkehrstote waren ein Kollateralschaden einer autoproklamierten Notwendigkeit. Die Autoindustrie entwarf Zukunftsszenarien und präsentierte “Autostädte” in denen ohne das Automobil nichts mehr ging. Achtspurige Fahrbahnen und riesige Kreuzungen durchzogen die Zwischenräume der Wolkenkratzer. In den 1930er Jahren war der Übergang zur neuen Welt fast komplett umgesetzt. Kinder die in den 1920ern beigebracht bekamen wo Ihr Platz im öffentlichen Raum war, nämlich auf dem Gehsteig und auf dem Fußgängerübergang, wurden zu jungen Erwachsenen und wünschten sich natürlich, denn so war die neue Realität, nichts sehnlicher als ein Automobil um sich endlich frei auf dem stetig wachsenden Straßennetz zu bewegen.



Das Motorenzeitalter

In Europa bestand schon früh eine Straßenverkehrsordnung, da Napoleon der Erste sich bereits 1804 damit auseinandersetzte (https://fr.wikibooks.org/wiki/Code_de_la_route/Introduction_historique). Erste Führerscheine wurden 1893 im Departement de la Seine ausgestellt und die ersten Fahrzeugscheine gab es 1896. Den ersten, wahren “Code de la route” gab es 1921 und den Führerschein ab achtzehn in Frankreich ab 1922. 2006 veröffentlichte Belgien den ersten “Code de la rue”, ein Dokument in dem auf die für den urbanen Verkehr unangepassten Code de la route eingegangen wurde und in dem wichtige Punkte festgehalten wurden. So wurde darauf hingewiesen, dass der stärkere Verkehrsteilnehmer immer auf den jeweils Schwächeren Rücksicht zu nehmen hat und Einbahnstraßen von Radfahrern beidseitig befahrbar sein sollen. Ein weiteres, wichtiges Element sind erhöhte Fußgängerübergänge auf die Autofahrer hochfahren müssen, sodass Fußgänger nicht auf die Fahrbahn herabsteigen müssen. In den Vereinigten Staaten war lange “Wilder Westen” auf den Straßen, und dies trug dazu bei, dass sich das “Motorenzeitalter” zu dem entwickelte, in dem wir heute noch sind - eine ideologisch verzerrte Ära, in der Marketing- und Werbekampagnen über Generationen hinweg Meinungen und Anspruchsberechtigungen gebildet haben. Derweil ist die Automobilindustrie zu dem einflussreichsten Industriezweig der Welt geworden. Unter den 10 größten Firmen der Welt befinden sich drei petrochemische Unternehmen und zwei Autohersteller (Platz 2 China Petroleum & Chemical Corp.; Platz 4 PetroChina Co. Ltd.; Platz 7 Royal Dutch Shell PLC; Platz 9 Toyota Motor Corp.; Platz 10 Volkswagen AG). Selbstverständlich vertreten diese Firmen ihre Interessen, nehmen massiv politischen Einfluss und verteidigen ihr Geschäftsmodell. Daran besteht kein Zweifel.


Mythos Freiheit

Der aufgeklärte Bürger lässt sich einhundert Jahre später aber nicht mehr blenden, oder? Wir wissen um den enormen Umweltschaden der durch thermische Motoren verursacht wird, um den Feinstaub, um das Mikroplastik, um den Lärm und die Luftverschmutzung an der alleine in Europa jährlich 450.000 Menschen frühzeitig versterben. Aus diesen Gründen verzichtet eine Mehrheit auf das Auto und wenn es sich doch nicht vermeiden lässt, dann kaufen die Wenigen die darauf angewiesen sind nur die kleinsten Maschinen, mit den sparsamsten Motoren und bilden Fahrgemeinschaften um den ökologischen Fußabdruck so gering als möglich zu halten.

Dem ist nicht so? Aber wie ist das möglich? Liegt es etwa an einer tiefen, warmen Liebe zum Automobil? Woher soll die kommen? Für die absolute Mehrheit ist das tägliche Autofahren eine Belastung, eine lästige Routine. Klar, manchmal macht es Spaß, aber meistens wäre man gerne schon angekommen oder eben nicht mehr im stockenden Verkehr oder Stau. Im Alltag ist das Automobil längst nicht so effizient wie es uns die Stadtplaner in den 1960er Jahren versucht haben glauben zu machen und bei weitem nicht so befreiend wie es die Werbeleute seit Jahrzehnten einreden.



Sollten Sie, lieber Leser, einer jener Mitmenschen sein, die nicht an die Wirkung von Werbung glauben, so erlauben Sie uns diesen einen Satz: Bei Unternehmen die auf Wachstum und Quartalszahlen angewiesen sind, wird kein Euro an einer Stelle verschwendet an der nicht ein vielfaches diese investierten Euros wieder in der Firmenkasse landet. Und die Automobilindustrie ist die größte Werbemacht der Welt. Wenn wir uns die Zahlen für Deutschland im Jahr 2014 ansehen, so liegen unter den 6 größten Werbebudgets 6 Autofirmen mit einem Gesamtinvest von 1.027.000.000,-€ (VW (292,7 Mio), Daimler (179,9 Mio), Ford (147 Mio), BMW (143,7 Mio), Audi (140 Mio) und Opel (124 Mio)). In Frankreich waren es unter den Top 4 Werbebudgets des Landes 3 Autohersteller (Renault (412,1 Mio), Peugeot (343,7 Mio), Citroën (319,1 Mio)). Woran liegt das?

Es gilt ganz einfach einen Mythos aufrecht zu erhalten: Den des Autos als Garant der Freiheit. Heute setzt die Branche auf eine Mischung von Nachhaltigkeit, Geschwindigkeit und Sicherheit als Hauptbotschaft. Und das aus gutem Grund: Es ist eine Reaktion auf das oben genannte Allgemeinwissen um die Schädlichkeit des Produktes. Der Automobilindustrie bleibt gar nichts anderes übrig als Milliarden in Werbung zu stecken um bei dem größtmöglichen Anteil der Bevölkerung diese Bedenken mit schönen Bildern, fetziger Musik und an wunderschönen Stränden auf leeren Strassen dahin gleitenden Autos zu übertünchen.



Diese Werbemilliarden in Kombination mit der Wirkung, die der allgegenwärtige Automobilsport auf unsere niedersten Instinkte ausübt, ergibt ein Geflecht aus Begeisterung, willfähriger Gutgläubigkeit und schamloser Bereitschaft uns selbst zu belügen. Immerhin sind wir umgeben von Fahrzeugen, wurden als Kinder bereits herumkutschiert, wir erhalten positives Feedback unserer Freunde und Bekannten beim Kauf eines neuen Modells und können über das ausgesuchte Modell auch gleich unseren Statusanspruch im gesellschaftlichen Gefälle untermauern. Aber ist das Liebe?



Der Sieger schreibt die Geschichte

Wie Peter D. Norton in seinem Buch “Fighting Traffic” von 2011 anmerkte, leben wir in einer Zeit, deren Realitätserzählung von den Siegern des Kampfes erzählt wird, der vor einhundert Jahren ausgetragen wurde. Verschiedene Menschen sehen sich neu entwickelnde Technologien unterschiedlich. Jeder kämpft dabei um seine eigene Vision der Zukunft und nur der Sieger dieses Kampfes stellt seinen Sieg anschließend immer als eine “natürliche technologische Selektion” dar, als ein Überleben des Stärkeren. Das einzige Mittel um eine solche Distortion der Realität zu hinterfragen, ist an den Anfang der Problemstellung zurückzugehen. Reisten wir nun nach 1920 zurück, so würden wir sehen, dass dieser vermeintliche Siegeszug, wie wir Anfangs bereits dargestellt haben, keineswegs aus einem sich verlieben entstanden ist, sondern aus der Infragestellung des öffentlichen Raumes durch einen Neuankömmling der nur auf wenig Gegenliebe getroffen ist. Die Mehrheit wies die Technologie zurück, denn, so war die Meinung, sehr wenige Menschen werden zu einem sehr hohen Preis bewegt.

Hier können wir wieder zum Eingangs erwähnten Kardinalfehler kommen. Reden wir von der Liebe zum Automobil, so spielen wir unbewußt das Spiel der Autoindustrie indem wir dieses Klischee, dieses Konstrukt immer weiter tragen.



Selbst wenn wir diesen Ausdruck kritisieren, so ist er immer wieder präsent. Dabei ist diese Redewendung keine, die natürlich aus dem Volksmund entstanden wäre. Auch sie wurde erschaffen, wurde durch Werbemaßnahmen kolportiert und einer Nachkriegs-Generation ins Ohr gepflanzt, die diese Sprüche und Werbesätze wohlwollend aufnahm. Diese Generation sah Werbung selten kritisch und viele Firmen nutzten dies um für ihre Produkte beliebte Charaktere zu erschaffen, die allabendlich in die Wohnzimmer der Nation kamen, um dort über den Fernsehbildschirm eine “Weisser als weisse Wäsche”, zarte Finger durch Spülmittel oder gesunde Zigaretten zu bewerben. Aus dieser Zeit stammt auch der Spruch der “Liebe zum Automobil”, und er kam wie so vieles, aus den U.S.A..



Verscheuklappung der Massen

Beim Schreiben dieses Beitrages sind wir der Frage nachgegangen ob Luxemburger im Vergleich mit anderen Nationen eine besonders große Liebe zum Auto haben und dies obwohl sie doch sonst durchaus die durch das Auto und seine Nutzung entstehenden Probleme erkennen (sollten), seien es Staus, Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Treibhausgase oder auch die Versiegelung des öffentlichen Raumes. Die besonders große Abhängigkeit der Luxemburger von ihren Autos liegt wohl daran, dass im Großherzogtum die Kaufkraft besonders hoch ist und sich eine Mehrzahl, auf der Suche nach den oben genannten für Mensch und Natur kostspieligen Bedürfnisbefriedigungen, bereitwillig in die Hörigkeit zum Automobil begibt. Vergleicht man diese Dynamik mit anderen Ländern, so ist diese omnipräsent, doch für die Bürger ökonomisch deutlich schwieriger umzusetzen. In Luxemburg war und ist es einfacher den Menschen diese Technologie schmackhaft zu machen und dank werbetechnisch großartig umgesetzter “Verscheuklappung der Massen”, zu verkaufen.

Unsere Beziehung zum Auto ist durchaus ambivalent. Ermöglicht es uns auf der einen Seite ein Wohnen weitab des Arbeitsplatzes, so werden wir auf der anderen Seite dadurch wieder von ihm abhängiger, da dort der öffentliche Transport schlechter ausgebaut ist. So beschleicht uns das Gefühl, wir könnten gar nicht mehr ohne Auto.

Wir haben aufgezeigt, dass die Frage nach der Liebe zum Auto an sich problematisch ist, weil sie auf der falschen Annahme fußt, dass unsere Beziehung zum Auto von Beginn an eine Lovestory gewesen sei und dass das Auto auf eine “natürliche Art und Weise” spezifische psychologische Bedürfnisse des Menschens erfüllte. Haben wir in dieser Abhandlung als, durchaus anzweifelbare Versprechen der Freiheit welche das Automobil den Menschen bringen sollte exemplarisch hervorgehoben, so sollten wir die von der Werbung, wie bereits oben angedeutet, anderen angesprochenen psychologischen Bedürfnisse des Menschen nicht vergessen, da auch diese für ihre Zwecke, nämlich die Promotion des Automobils genutzt werden. Es wurde uns - mit recht großem Aufwand - eingeredet, dass der Besitz (sogar noch mehr als die Nutzung) eines Automobils es uns erlaubt uns effizient von A nach B zu bewegen, uns dabei sicher zu fühlen, die Kontrolle zu haben, beliebt und populär zu sein und dazu zu gehören, je nach Lebensabschnitt zu den Erwachsenen, zu den Reichen, zu den Coolen. Das einzige psychologische Bedürfnis welches das Fahren eines Autos von Anfang an scheinbar von selbst zu erfüllen vermochte, war der Spaß an der Beschleunigung. Wer allerdings glaubt es würde uns helfen zur Selbstverwirklichung zu finden, der ist schon zu lange nicht mehr bewusst Fahrrad gefahren.



Autorennotiz

David Everard hat einen Master in angewandter Kommunikation und war seit 2003 in vielen Bereichen Verantwortlicher der Kommunikation, bis er sich 2020 mit seiner Agentur EVERARD Consulting & Communication, die Kommunen, Institutionen und Firmen beim Entwerfen und/oder der Umsetzung nachhaltiger Projekte hilft, selbständig machte. Er betreibt im Naturpark Our ein Permakulturprojekt “De Wëlle Gaart” das ihm den Ausgleich zur Bürotätigkeit bietet, schreibt Theaterstücke und unterhält einen Blog.

Robert A.P. Reuter ist Doktor der Psychologie und arbeitet seit 2004 an der Universität Luxemburg in Forschung und Lehre. Er ist ehrenamtlich unter anderem tätig beim Mouvement Ecologique, beim OekoZenter Paffendall und bei Vëlo Diddeleng. Zur Arbeit fährt er täglich mit seinem Pedelec.



Der Artikel, so wie er im forum erschienen ist:




174 views0 comments

Comments


bottom of page